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Der Kampf für ein Leben mit Toleranz und Respekt

Marcus France, GF des Magnus-Hirschfeld-Centrums (mhc) Hier: Marcus France, GF des Magnus-Hirschfeld-Centrums (mhc). Foto: Florian Quandt

Marcus France engagiert sich im „Magnus- Hirschfeld-Centrum“ in Winterhude, doch immer wieder kommt es zu Angriffen. Die Haspa in der Jarrestraße steht ihm zur Seite. Erfahre in diesem Beitrag der Bessermacher, wie Marcus sich für ein Leben mit mehr Gleichberechtigung, Toleranz und Respekt einsetzt.

Marcus ist glücklich verheiratet. Schon mit 16 Jahren lernte er seine große Liebe kennen. Doch er konnte sein Glück nicht teilen. Erst in der Jugendgruppe des „Magnus-Hirschfeld-Centrums“ (MHC) am Borgweg (Winterhude) lernte er, zu seinen Gefühlen zu stehen. Zwanzig Jahre ist es her, dass er seinen Axel kennenlernte. Und trotzdem müssen sich die Männer auch heute noch für ihre Liebe rechtfertigen. Als Geschäftsführer des MHC macht sich Marcus France (36) stark für Toleranz und Akzeptanz.

Erst kürzlich hat das MHC 40-jähriges Bestehen gefeiert. Marcus strahlt, als er von den ersten Mitgliedern berichtet. Den mutigen Männern, die Homosexualität sichtbar machen wollten und für Aufklärung und ein freies Leben kämpften. Anfang der 80er Jahre bauten die Freiwilligen die Räume am Borgweg, eine ehemalige Bäckerei, zum Begegnungszentrum um. 1983 wurde das Haus eröffnet. Damals noch vom Verein „Unabhängige Homosexuelle Alternative“, der 2014 umbenannt wurde in „Magnus-Hirschfeld-Centrum“.

Toleranz und Respekt in Hamburg: Das Magnus-Hirschfeld-Centrum (mhc)
Seit 40 Jahren gibt es das MHC am Borgweg in Winterhude.

Zeitgleich wurden auch in anderen Städten Zentren eröffnet. „Die Besonderheit in Hamburg war aber, dass es von Anfang an eine große Fensterfront gab und man sich nicht verstecken wollte. In anderen Städten gab es nur irgendeine Klingel und man traf sich im Verborgenen“, sagt Marcus. Die Sichtbarkeit des Zentrums hatte in der Vergangenheit allerdings schon häufig bittere Folgen. Marcus wird den lauten Knall nie vergessen. Er hatte gerade Dienst im Café als 2013 auf einmal Pflastersteine durch die Scheibe flogen. „Ich war im Keller, als ich das Getöse hörte. Wieder oben war die ganze Scheibe weg. Das war heftig.“ Bis heute ist der Anschlag nicht aufgeklärt. Andere Vorfälle hingegen sind glasklar. Da machen sich die Täter gar nicht erst die Mühe, wegzurennen. „Es kommt immer wieder vor, dass Passanten gegen die Scheiben spucken oder Lebensmittel wie Fleischsalat oder Eier dagegen werfen.“ Auch Beleidigungen hat Marcus schon häufig ertragen müssen. Wenn er vor der Tür steht und Leute „Schwuchtel-Laden“ oder „Perverse“ im Vorbeigehen zischen oder über die Straße rufen.

Es sei weniger geworden in den vergangenen Jahren. Aber aufgehört hat es nicht. „Das zeigt uns, wie wichtig unsere Arbeit für Akzeptanz in der Gesellschaft nach wie vor ist.“ Das merkt der 36-Jährige auch immer wieder bei privaten Treffen. Kürzlich wurde er während eines Grillabends von einem ihm unbekannten Gast gefragt: „Wer von euch Beiden ist eigentlich die Frau?“ Eine Frechheit. „Ich bleibe ruhig und versuche aufzuklären, dass es bei uns keinen Unterschied zu einer anderen Partnerschaft gibt.“ Zermürbt es nicht, sich seit so vielen Jahren dafür rechtfertigen zu müssen, einen Mann zu lieben? Marcus schüttelt den Kopf. „Meistens nicht“, sagt er lächelnd.

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Die Bierdeckel werben für eine Spendenaktion.

Schon als Schüler hatte er seinen Mann Axel, mit dem er in Eidelstedt lebt, kennengelernt. Übers Internet. Zu der Zeit fuhr er das erste Mal von seinem Heimatort Stade zum MHC. Er erinnert sich noch genau. Es war ein Freitag. Der 14. Mai 2003. Der Laden brechend voll, weil Jubiläum gefeiert wurde. Von da an fuhr Marcus jeden Freitag ins Zentrum zur Jugendgruppe – dessen erstes Mitglied er war. Obwohl er bereits mit etwa 13 Jahren gemerkt hatte, dass er schwul ist, fand er den Mut für sein Outing erst durch das MHC. „Meine Mutter meinte bloß, dass sie es schon wisse. Der Axel sei ja immer zu Besuch.“ Auch sein Vater hätte kein Problem damit gehabt. Einzig ein paar Mitschüler reagierten seltsam und wollten ihm nicht mehr zu nahekommen. „Im Großen und Ganzen hatte ich aber keine Probleme.“ Marcus stand zu seinen Gefühlen. Er engagierte sich ehrenamtlich erst in der Jugendarbeit, danach im Vorstand des MHC. Später gab er seinen Job als gelernter Systemgastronom auf und begann im Café des Begegnungszentrums zu arbeiten. Seit 8 Jahren ist er hauptamtlicher Geschäftsführer. Einer von 21 Festangestellten, alle Geringverdiener oder in Teilzeit. Unterstützt werden sie von etwa 60 Ehrenamtlichen.

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Das WC-Schild klärt auf: nicht Männlein und Weiblein, sondern drei Pissoirs, ein Klo.

Die Freiwilligen engagieren sich größtenteils beim Schulaufklärungsprojekt „Soorum“ und kümmern sich um die bis zu 50 Schulklassen, die das Zentrum jedes Jahr besuchen. Hinzu kommen rund 2.300 Menschen, die Unterstützung suchen. Sei es in der Beratungsstelle, in der es sogar ein eigenes Angebot für queere Flüchtlinge gibt, Jugendarbeit oder bei der Elternberatung. „Besonders zugenommen hat das Thema Trans* bei Jugendlichen. Sie nutzen das Gruppenangebot der offenen Jugendarbeit. Auch die Bezugspersonen der Jugendlichen treffen sich regelmäßig, um sich zu dieser Thematik auszutauschen und beraten zu lassen.“ Marcus ist glücklich, dass sich die Familien im MHC Hilfe holen. Hier bekommen sie Unterstützung und lernen, offen mit dem Thema umzugehen. So wie er damals lernte, zu seinen Gefühlen zu stehen.

Haspa-Filialleiter: „Es gibt noch viel zu tun“

Bessermacher Eine Aktion von MOPO und HASPA

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.

Das „Magnus-Hirschfeld-Centrum“ wünscht sich in seinen Räumen am Borgweg einen neuen Teppich im Obergeschoss. Seit Jahren soll er bereits ausgetauscht werden. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“. Zudem wird die Haspa an der Jarrestraße die Filialpatenschaft übernehmen.

„Das MHC ist in Hamburg eine feste Größe und macht einen fantastischen Job. Aber es gibt noch viel zu tun. Darum unterstützen wir gerne“, sagt Martin Niemeier, Filialdirektor der Haspa an der Jarrestraße.

Von WIEBKE BROMBERG (Text)
und FLORIAN QUANDT (Fotos)