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Die Bereitschaft zur Gewalt steigt, und zwar überall in unserer Gesellschaft. Dieses nicht zu leugnende Problem ist auch in Hamburg an vielen
Ecken zu beobachten. Oft genug heißen die Brennpunkte bei uns St. Pauli oder Steilshoop, längst aber auch Eimsbüttel oder Jungfernstieg. Eine typische Situation, die in Gewalt eskaliert, ist schnell gefunden. 2 Meinungen stehen sich gegenüber, ein Wort ergibt das andere, ein klassisches Trigger-Wort genügt als Zündfunke. „Du zeigst keinen Respekt“ zum Beispiel. Wer hat, vor allem als Jugendlicher, auf diesen Vorwurf schon die richtige Reaktion parat? Eine Reaktion, die ihn nicht sofort in die Loser-Rolle drängt?
Eine häufige Antwort ist in solchen Fällen die Flucht nach vorn, die Flucht in offensive Gewalt. Gewaltverherrlichende Denkmuster aus Filmen, Social Media oder dem sozialen Umfeld tun ein Übriges dazu bei, dass die Hemmschwellen zum Zuschlagen ruck, zuck überschritten sind. Exakt an diesem Punkt setzt das Konzept der Boxschool an. Eine angespannte Aktion verlangt Gegenreaktion – wie im Ring. Dass diese Antwort dann verbal und angemessen bleibt, lässt sich nämlich sehr gut trainieren.
Ring frei für gelebte Gewaltprävention
Der gemeinnützige Verein Boxschool ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zu einem gewaltfreien und kooperativen Miteinander zu unterstützen. Dazu verschreibt er sich hauptsächlich dem Sport, speziell dem Boxen. Mit aktiven Angeboten zur Selbstbehauptung sowie Fortbildungsveranstaltungen unterstützt der Verein die Arbeit der Hamburger Schulen. Im Umgang mit aggressiven oder gewaltauffälligen Kids bringt er nämlich etwas mit, wovon sehr viele Pädagog:innen heimlich träumen dürften: Street Credibility ohne Wenn und Aber. Doch die Boxschool kümmert sich nicht nur um die aggressiven Kids. Auch für Kinder und Jugendliche, die im Abseits stehen oder Opfer von Gewalt geworden sind, stehen die Boxstunden offen. Weil sie immer stärker rauskommen, als sie reingegangen sind.

Olaf Jessen ist hier der Frontmann
Selbst wenn er es eigentlich gar nicht will, ist der Boxschool-Gründer Olaf Jessen das Gesicht der Initiative nach draußen. Ein Hamburger Jung, der selbst weiß, wie hart das Leben sein kann. Ihm macht keiner so schnell etwas vor. Mit den Haupt- und Honorarkräften seines Vereins sowie vielen Ehrenamtlichen bietet er die Boxschool-Trainingseinheiten für Schulen an. Im Schuljahr 2024 ist er mit nicht weniger als 40 Kursen an 28 Hamburger Schulen aktiv geworden.
Olaf unterstreicht noch einmal, wo häufig der Knackpunkt liegt. „Gewaltbereite stecken oft so fest in ihren Verhaltensmustern, dass ihnen in Konfliktsituationen jeder Art sofort die Sicherung durchbrennt. Das gilt für schwere Jungs genauso wie für Heranwachsende.“ Als Trainer tritt er mit seinem Boxschool-Team an, die Gewalt als schlechteste Lösung von allen transparent zu machen. Sein Weg funktioniert, Lehrende und Behörden wissen das zu schätzen. Die überregionale Anerkennung für sein Boxschool-Konzept zeigt sich unter anderem im Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, das er im Hamburger Rathaus im Oktober 2024 erhielt.
Ziele des pädagogischen Boxens
Grundsätzlich wird teilnehmenden Schülerinnen und Schülern von der Boxschool geholfen, hemmende Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensprobleme zu überwinden. Dabei werden sie in ihren sozialen Kompetenzen gestärkt: Sie sollen ihre eigenen Handlungen überdenken und feststellen, welche Alternativen sie haben. Danach ist es für viele viel einfacher, von diversen Möglichkeiten die beste für sich zu erkennen.
Die Boxtrainings sind fordernd und bewusst kein Zuckerschlecken. Es geht darin um das Erleben körperlicher Grenzerfahrungen, die Steigerung des Körperbewusstseins und einen reflektierten Umgang mit der eigenen Körpersprache. Hinterher ist zu beobachten, wie Kinder mit problematischem Verhalten deutlich ruhiger werden. Sie können wieder ganz normal am Unterricht teilnehmen oder wissen besser, wie sie mit ihrem Gewaltpotenzial und ihrer Aufgewühltheit umgehen können.
Die Auswahl und Zusammenstellung der Trainingsgruppen erfolgt in Absprache mit den Schulen. Je nach Schultyp gibt es Gruppengrößen von 6 bis zu 12 Schülerinnen und Schülern, die an einem Training teilnehmen. Trainiert wird für ein halbes oder auch ganzes Schuljahr, für jeweils 90 Minuten, ein oder mehrmals pro Woche. So vermittelt der Verein neben den Grundlagen der Kampfsportart seinen Kids auch die Regeln für ein entspannteres Miteinander und Werte wie Respekt und Fairness. Was letztlich die Grundlage für eine gewaltfreiere, inklusive Gesellschaft für uns alle ist. Eine ziemlich lohnende Anstrengung für die Zukunft also.
Die Eimsbütteler Haspa ist ganz nah dran
In der Filiale Müggenkampstraße wurden die Weichen gestellt, dass ein Zukunftsmacher-Zuschuss in der Boxschool landet. Anni Müller betreut dort das Haspa-Konto des Vereins. Sie kennt Olaf Jessen als Kunden seit über 20 Jahren. Relativ neu in Eimsbüttel ist ihr Filialleiter Daan Scheffer. Was nicht bedeutet, dass ihm das Netzwerken in Hamburger Quartieren fremd ist. Er kommt aus der Niederlassung Altona und hier wie dort finden in den Nachbarschaftsfilialen die Interessen von Kund:innen, Mitarbeitenden und Öffentlichkeit zueinander.
Das Haspa-Team ist sich einig: „Wir Erwachsenen haben es in der Hand, den Kids Perspektiven aufzuzeigen. Auch unsere finanzielle Unterstützung trägt dazu bei, dass die Zukunft der Boxschool noch in möglichst viele weitere Runden geht. Budget für neues Equipment wird permanent benötigt. Weil Boxhandschuhe und T-Shirts bei den schweißtreibenden Trainings echtes Verbrauchsmaterial sind.“

Lehrende schätzen die Boxschool Fortbildungen
Damit Konflikte speziell im schulischen Alltag nicht eskalieren, gilt es, riskante Konstellationen zu erkennen und zu bewältigen. Für Fachkräfte bietet der Boxschool e. V. deshalb unterstützende Fortbildungsveranstaltungen zum Thema an. „Immer wieder werden Lehrende und Angestellte mit herausfordernden Situationen konfrontiert. Die Schulung ihrer Selbst- und Fremdeinschätzung bezüglich ihres eigenen Auftretens ist oft der erste Schritt zur Deeskalation und damit ein guter Schutz vor Übergriffen“, weiß Olaf Jessen.
Mit gegenseitiger Wertschätzung und Offenheit wird in den Kursen für Lehrende das Ziel verfolgt, Handlungs- und Verhaltensmöglichkeiten aller zu stärken und zu erweitern. Selbstverständlich schließt das auch die Inklusion mit ein. So wird der Weg zu einem chancengerechten Bildungssystem gefördert und ein kooperatives Miteinander wird in wichtigen Aspekten einfacher. Man könnte das Konzept Boxschool also zu 100 % als Wirkungstreffer bezeichnen.

Gemeinsam für die Zukunft unserer Stadt
Im Magazin „Hamburgs Zukunftsmacher“ stellen wir stellvertretend für viele weitere 19 Projekte aus unserer Region vor, die die Haspa zum Teil bereits seit Jahren fördert.
Text: Uwe Rehkop (rehkopftext)
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Wenn du dich für weitere starke Geschichten aus Hamburg interessierst, solltest du mal bei den anderen Zukunftsmachern vorbeischauen – wie den greenKIDS, der Welcome Werkstatt, dem Afrikanischen Bildungszentrum ARCA, dem Jugendzentrum Kiebitz oder der Silbersack Hood.