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Haus 5: Hier ist Anderssein normal

Haus 5: Eine Frau trägt ein Tablett mit Kaffee und Zucker Florian Quandt

Das Restaurant Haus 5 ist eine Einrichtung, in der Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur eine Beschäftigung finden, sondern eine Aufgabe, die ihr Leben erfüllt. Wie genau das funktioniert, verraten wir dir in diesem Artikel.

Mal in Firmen, mal in Privathaushalten. Ihr Leben lang hat Gülden Citak (45) immer nur geputzt. Die Frage, ob sie auch etwas Anderes könnte, stellte sich ihr nicht. Zu groß die Angst, in einem anderen Job gemobbt zu werden. Die Frau ist schwerhörig. Heute arbeitet sie als Servicekraft im Restaurant „Haus 5“. Eine Oase in einem idyllischen Innenhof mitten auf St. Pauli. Eine Einrichtung, in der Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur eine Beschäftigung finden, sondern eine Aufgabe, die ihr Leben erfüllt. Auf die sie stolz sind.

Früher war das Gebäude des „Haus 5“ auf dem Gelände des Gesundheitszentrums St. Pauli (Seewartenstraße) Teil des alten Hafenkrankenhauses. Nachdem die Stadtentwicklungsgesellschaft Steg das Gelände übernommen hatte, siedelten sich Ärzte, Initiativen und Vereine wie das „CaFée mit Herz“ und „Ärzte ohne Grenzen“ an.

„Komm einfach vorbei“

2004 wurde der Grundstein für das „Haus 5“ der Evangelischen Stiftung Alsterdorf gelegt. Mit wenigen Mitarbeitenden gestartet, arbeiten heute 110 Menschen für das „Haus 5“. Die meisten von ihnen haben eine Behinderung. Manche haben psychische, andere körperliche Probleme. Viele sind gehörlos. Doch Behinderungen spielen im „Haus 5“ eigentlich keine Rolle. Hat jeder. Interessiert keinen. „Wir sind ein tolles Team. Meine Kolleg:innen sind wie meine Kinder. Bei einer anderen Arbeit hätte ich Angst, beleidigt zu werden. Hier hat jeder Probleme. Da ist das Anderssein normal“, sagt Gülden Citak.

Die Frau aus Altona arbeitet seit 14 Jahren für das „Haus 5“. Durch Zufall landete sie in dem Restaurant. Als sie eine neue Putzstelle antrat, stellte ihre Chefin ihr den Leiter der Einrichtung vor. Er wollte sie einstellen. Doch anfangs hatte sie Angst. „Ich habe mir Service nicht zugetraut.“ Doch der Chef sagte: „Komm einfach morgen vorbei. Dann kannst du anfangen.“ Das tat die Frau und hat es nicht einen Tag bereut.

Wer im „Haus 5“ arbeiten möchte, braucht nur eine einzige Voraussetzung: „Die Mitarbeitenden müssen Bock haben“, sagt Ronny Nelson (43). Alles andere finde sich. „Wir geben viele Chancen und sind sehr geduldig“, erklärt der Betriebsleiter aus Winterhude, der seit 4 Jahren dabei ist.

Über sich hinaus wachsen

Ursprünglich hat der gelernte Verwaltungsfachangestellte und Informatiker im öffentlichen Dienst gearbeitet. Danach beim Nabu und an einer privaten Hochschule als Campusmanager. Seine Arbeit in „Haus 5“ erdet Ronny und zeigt ihm oft, worauf es wirklich ankommt. „Es ist unheimlich bereichernd, mit so unterschiedlichen Charakteren zu arbeiten.“ Besonders berührt es ihn zu sehen, wenn die Kolleg:innen Sachen schaffen, die sie sich selber nicht zugetraut hätten.

Haus 5: Betriebsleiter Ronny Nelson
Foto: Florian Quandt

Jeder hat sein eigenes Arbeits- oder Lernziel. Alle Mitarbeitenden werden dabei unterstützt, sich weiterzuentwickeln. „Was woanders als selbstverständlich gilt, kann bei uns eine große Sache sein.“ Da in einem Integrationsunternehmen eine umfangreichere Personalstruktur erforderlich sei, wären Stellen häufig mehrfach besetzt. Die Stärken des einen gleichen die Schwächen des anderen aus und fördern so eine effektive Zusammenarbeit.

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Auf den ersten Arbeitsmarkt

Das Besondere: die meisten Mitarbeitenden sind nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen tätig, sondern direkt auf dem ersten Arbeitsmarkt angestellt, sozialversichert und nach Tarif bezahlt. Es gibt drei Tarifverträge. Denn neben der Gastronomie, zu der das Restaurant, das „Haus 5 Bistro“ am Zirkusweg, ein Catering-Service und eine Betriebskantine in Hasselbrook gehören, wird auch Gebäudereinigung und Garten- und Landschaftsbau geboten.

Der Betriebsleiter organisiert und unterstützt in allen Abteilungen. Da muss er auch mal den Mob schwingen oder Essen servieren. „Ich springe überall mit ein und mache es gerne für die Kolleg:innen.“ Für viele der Mitarbeitenden ist ihre Arbeit ihr Lebensinhalt. Sie freuen sich jeden Tag wieder auf ihren Job. Große Dramen gibt es manchmal, wenn die Angestellten Urlaub haben. „Manche wollen einfach nicht freihaben. Bei ihrer Arbeit sind sie wichtiger Teil eines Teams.“ Sie werden gebraucht. Und sind Teil der Gesellschaft.

Haus 5: Haspa-Filialdirektor
Christian Schley (r.) und Sebastian Weyhing,
Geschäftsführer des „Haus 5“.
Florian Quandt

Filialleiter Schley: „Die Einrichtung steht für alles, was St. Pauli ausmacht“

Bessermacher Eine Aktion von MOPO und HASPA

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung. Die Haspa-Filiale an der Reeperbahn kooperiert mit dem „Haus 5“. Für einen „DJ-Workshop“ im Mai liefert der Catering-Service das Essen. Christian Schley, Filialleiter der Haspa Reeperbahn: „Im Haus 5 treffen sich alle denkbaren Altersgruppen, sozialen Schichten, Berufe und Lebensentwürfe zum Mittagessen. Damit leistet diese Einrichtung nicht nur einen bedeutenden und außergewöhnlichen Beitrag zur Inklusion und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Sie steht auch für alles, was St. Pauli ausmacht: Miteinander, Offenheit, Toleranz und Vielfalt. Und darüber hinaus den Willen, sich einfach nicht unterkriegen zu lassen.“

Das „Haus 5“ bekommt auch finanzielle Unterstützung. Die in die Jahre gekommenen Holztische im Innenhof müssen aufgearbeitet werden. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung aus den Mitteln des Haspa-Lotteriesparens.

Text: Wiebke Bromberg

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