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„Immer draufhauen macht keinen Sinn“

Florian Quandt

Früher war Faruk Süren selber „Problemjugendlicher“. Heute hilft er Schülern mit der Initiative „Ideen im Team“ – die Haspa hilft mit.

Faruk Süren (51) kümmert sich um harte Fälle. Auffällige Schüler, die dringend Hilfe brauchen. Der Sozialpädagoge der „Beratungsstelle Gewaltprävention“ weiß genau, was die Kinder bewegt. Aus eigener Erfahrung. Um ihnen nicht nur mit seiner Arbeit zu helfen, hat er „Ideen im Team“ ins Leben gerufen. Eine Privatinitiative, die Menschen zusammenbringt. Auch solche, die meinen nicht mehr reinzupassen.

Mit drei Jahren kam Faruk mit seiner Familie aus der Türkei nach Hamburg. Er wuchs auf der Veddel auf. Ein Ghetto, in dem auf der Straße eigene Gesetze herrschten. Als Jugendlicher habe er „so einiges“ erlebt und wurde straffällig. Das ist lange her. Für Faruk fühlt es sich an wie ein anderes Leben. Er möchte nicht mehr darüber sprechen. „Ja, ich war ein Problemjugendlicher. Die Fehler, die ich gemacht habe, müssen die Jugendlichen nicht wiederholen.“

Die Jugendlichen – das sind Schüler, die häufig anecken. Wenn schulische Maßnahmen nicht mehr helfen, kommen sie zu Faruk und seinen Kolleg:innen in die „Beratungsstelle Gewaltprävention“ der Hamburger Schulbehörde. Eigentlich zum „normen- und hilfeverdeutlichenden Gespräch“. Doch bei Faruk wird häufig erst einmal nicht geredet. „Es bringt nichts, wenn ich der zehnte Erwachsene bin, der dem Kind sagt, dass es gescheitert ist. Immer nur draufhauen macht wenig Sinn.“ Faruk macht es anders. Vor 15 Jahren begann er damit, mit den Jugendlichen alte Computer auseinanderzubauen. „Da kann man nichts falsch machen. Die werden sowieso kaputt gemacht. Und ich kann die Kinder endlich mal loben.“ Eine Wertschätzung, die die Meisten nicht kennen.

Auch für den Turm aus Dosen im „Schnellaufbau“ gab es den Weltrekord. Foto hfr

Um mit dem Schrott etwas Sinnvolles zu machen, entwickelte er die Initiative „Ideen im Team“. „Ich kann ja nicht als Behördenmitarbeiter Schrott verkaufen.“ In seiner Freizeit bringt der Sozialpädagoge die zerlegten Computer regelmäßig zu zwei Händlern. Und nicht nur die. Es hat sich herumgesprochen, dass Faruk Schrott sammelt. Kollegen, Nachbarn, Bekannte, manchmal auch Fremde – etliche Menschen bringen ihm nützlichen Abfall. Sogar eine Autowerkstatt. Das eingenommene Geld wird gespendet. An wen? Das entscheiden die Jugendlichen, mit denen er die Computer auseinandernimmt. „Meistens wollen die Kinder an andere Kinder spenden oder Umweltschutzvereine unterstützen.“

Mit „Schrott sei Dank“, wie er das Computerrecyceln nennt, fing alles an. Doch mittlerweile hat die Initiative etliche Projekte auf die Beine gestellt. Nicht nur seine Frau, seine beiden jugendlichen Töchter, Freunde, Kollegen und Bekannte sind Teil von „Ideen im Team“. Auch viele andere beteiligen sich. „Das ist nicht nur mein Projekt. Das sind alle, die sich in ihrer Freizeit einbringen“, sagt Faruk, dem es wichtig ist, nicht im Vordergrund zu stehen. „Ideen im Team“ – das sei eine Teamleistung.

Menschen zusammenbringen, die gemeinsam etwas für andere schaffen – das ist das Ziel. Wie bei der „Deutschen Meisterschaft im sozialen Computerrecyceln“, bei der 50 Teilnehmer rund 1500 Euro für die Flutopfer im Ahrtal zusammenbekamen. Oder der Aktion „Baum der Gaben“ – für die Schüler, Eltern und Lehrer Dosen gesammelt hatten. Vor dem Michel stapelten rund 50 Schüler:innen von 13 Schulen die 3425 weihnachtlich bemalten Dosen aufeinander. Die Konserven wurden an die Hamburger Tafel gespendet. Nie zuvor gab es einen größeren Weihnachtsbaum aus Konservendosen. Das Rekord-Institut für Deutschland (RID) bestätigte der Initiative den Weltrekord.

Bestätigter Weltrekord: Mehr als 38 Quadratmeter groß, fast 60 Kilo schwer: „Ideen im Team“ hat aus knapp 2200 Stoffmasken die weltweit größte Corona-Maske genäht. (Foto hfr)

Nicht der einzige. Auch die weltweit größte Corona-Maske wurde von der Initiative zu Gunsten einer Einrichtung für Kinder mit Behinderung genäht. Aus knapp 2200 Stoffmasken. Mehr als 38 Quadratmeter groß. Knapp 60 Kilo schwer. Aktuell steht wieder ein Weltrekord an: Als Anerkennung für alle Rettungskräfte soll ein „Turm der Hoffnung“ aus bemalten Dosen aufgebaut werden. „Ideen im Team“ spendet aus dem Schrotterlös jeweils 20 Cent pro Dose an die Jugendfeuerwehren und an die Erdbebenopfer in der Türkei. Für Faruk die schönsten Aktionen. Mit anderen etwas für andere tun – das erfüllt ihn. Wer den „Turm der Hoffnung“ unterstützen möchte, kann bemalte Dosen an die Initiative senden.

Adresse: Beratungsstelle Gewaltprävention in Barmbek-Süd, Faruk Süren, Hamburger Straße 129, 22083 Hamburg. Mehr Infos unter: www.ideen-im-team.de

Haspa unterstützt mit neuem Werkzeug und Filialpatenschaft

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung. Die Haspa finanziert „Ideen im Team“ neues Werkzeug, das benötigt wird, um die Computer auseinander nehmen zu können. Zudem übernimmt die Haspa am Schulterblatt, die die Privatinitiative bereits mehrfach bei Projekten unterstützt hat, die Filialpatenschaft für „Ideen im Team“.

„Wir unterstützen die tollen Projekte seit vielen Jahren, indem wir sie in unserer Nachbarschaft bekannt machen und die Filiale als Ausstellungsfläche und Sammelstelle zum Beispiel für die Maskenaktion zur Verfügung stellen“, so Ralf Mannshardt von der Haspa am Schulterblatt.

Von WIEBKE BROMBERG (Text) und FLORIAN QUANDT (Fotos)